Solarstrom im Quartier speichern

Foto aus Energiekommune 4/2021Foto: Maximilian Kamps/Agentur Blumberg/www.neue-weststadt.de
In der neuen Weststadt in Esslingen wird Solarstrom, der nicht sofort benötigt wird, gespeichert.
Die Speicherung von Strom in einem Quartier oder Areal hat Vorteile gegenüber vielen Einzelspeichern. Das gilt besonders dann, wenn der Speicher gleich mehrere Zwecke erfüllt. Aber gerade das ist derzeit wegen der ­regulatorischen Bedingungen kaum machbar.

In Esslingen entsteht gerade mit der Neuen Weststadt eine neues Quar­tier, das klimaneutral sein soll. Ganz selbstverständlich sind auf den schon fertiggestellten Gebäuden die Dächer mit Photovoltaikanlagen ausgestattet. Sollten sie mehr Solarstrom produzieren als aktuell im Quartier benötigt wird, so fließt er – meist – nicht ins allgemeine Netz, sondern wird vor Ort in zentralen Batterien zwischengespeichert oder per Elektrolyse zur Wasserstofferzeugung genutzt.

Einer derjenigen, die das System maßgeblich konzipierten, ist Prof. Nor­bert Fisch. Er befasst sich schon seit den 1980er Jahren mit der Nutzung der Sonnenenergie in Gebäuden. Das be­inhal­tet die Kombination von Solarthermie und großen Wärmespeichern, aber auch die Idee des solaren Wasserstoffs als einem wichtigen Träger der Energiewende. Auf ihn setzt Fisch in Ess­lin­gen, weil nur so letztlich Klimaneutralität erreichbar sei. Zukünftig sei dafür der Aufbau großer Elektrolyseinheiten in Kombination mit Solar- und Windkraft­wer­ken wichtig. Die Wasserstoffproduktion im kleineren Maßstab auf Quartiers­ebe­ne habe aber den Vorteil, dass der Wirkungsgrad deutlich gesteigert werden könne. Wasserstoffelektrolyse und Wiederverstromung sind mit Abwärme verbunden, und die ist wesentlich einfa­cher zu nutzen, wenn sie in einer Sied­lung anfällt und nicht außerhalb einer Kommune.

Im Z­u­sammen­wirken der Stadt und ei­ner Reihe von weiteren Partnern ent­steht in dieser Siedlung ein komplexes Energieversorgungssystem. Rund 150 Millionen Euro an Forschungsmitteln fließen in das Projekt. Und dennoch sind es auch hier regulatorische Hürden und nicht technologische Herausforderun­gen, die die Übertragbarkeit eines solchen Projektes in Frage stellen.

Regulatorische Hemmnisse

Das beginnt bereits bei einzelnen Photovoltaikanlagen auf den Dächern im Quartier. Wie Fisch berichtet, stehen sie für die Zwischenspeicherung in den Batterien oder die Wasserstoffelektro­lyse nicht zur Verfügung. Denn nicht alle PV-Anlagen sind an das Arealnetz angeschlossen, sondern es sind Kun­den­anla­gen, die für deren Eigenverbrauch produzieren. Würde dieser Strom zwischengespeichert, so ist dies derzeit nicht mit den Befreiungen von der EEG-Umlage laut Erneuerbare-Energien-Gesetz vereinbar.

Innerhalb eines Quartiers könnten Stromspeicher verschiedene Funktio­nen übernehmen. Aber dafür müsste der Bundestag in das Erneuerbare-Energien-Gesetz erst noch entsprechende Regelungen integrieren, um Batteriespeicher gemeinsam und ohne Nachtei­le verwenden zu können. Bei heutigen Preisen für die Speicher werden diese sonst in der Regel nicht zum wirtschaftlichen Vorteil der Stromverbrau­cher sein. Zumal der heute nur aus einem höheren Anteil des selbst erzeugten, günstigen PV-Stroms resultie­ren könnte. Erst bei weiter verringerten Batteriekosten wür­de sich das wirklich rechnen.

Besser als Heimspeicher

Wie Professor Eberhard Waffenschmidt vom Institut für Elektrische Energietechnik der Technischen Hochschule Köln er­klärt, weisen Quartiersspeicher im Vergleich mit einer Vielzahl von kleinen Heimspeichern ansonsten durch­aus wirtschaftliche Vorteile auf. Waffenschmidt hat sich in einem Forschungsprojekt in Kooper­ation mit dem Institut für Europäisches Wirtschaftsrecht an der Uni­ Köln in einem Forschungs­pro­jekt spe­ziell mit Quartiersspeichern befasst. Demnach ist ein technischer Vorteil, dass je Haushalt die Speicherkapazität geringer sein kann. Außerdem lässt sich die Gesamtleistung der Wechselrichter verringern. Ein Quartiersspeicher senkt also den Ressourceneinsatz.

Auf der Negativseite stünden die rechtlichen Anforderungen, so Waffenschmidt. Er spricht sich sehr deutlich dafür aus, die Regeln zu vereinfachen. Ein guter Ansatz sei dafür, die Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) der Europäi­schen Uni­on in Deutschland anzuwen­den und es den jeweiligen Arealen und Quart­ieren zu überlassen, wie sie intern die Energieversorgung organisieren wollen. Viele Paragrafen im EEG und im Energiewirtschaftsgesetz könnten wegfallen, wenn sie nur bis zum Netzan­schluss­punkt eines Areals gelten müssten.

Waffenschmidt, der sich auch im Solarenergie-Förderverein Deutschland engagiert, positioniert sich in dieser Frage ähnlich wie eine Reihe von Regenerativ-Verbänden. Valeska Gottke vom Bundesverband Energiespeicher (BVES) reklamiert ebenfalls, Deutschland habe die EU-Richtlinie nicht umfänglich umgesetzt. Die RED II stelle Energiegemeinschaften einzelnen Haushalten und Un­ter­neh­men gleich. Und auch im Entwurf für eine Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG), die am 25. März in den Bundestag eingebracht wurde, seien Hemmnisse nicht beseitigt worden. Damit werde aber die Entwickl­ung von Quartiersspeichern massiv behindert.

Nur ein Nischenthema

Tatsächlich sind diese Speicher bislang nur ein Nischenthema. In der Marktstatistik des BVES tauchen sie daher gar nicht auf, während bis Ende 2020 immerhin rund 300.000 Heimspeicher installiert worden sind.
Auf Quartiersebene könnten die Speicher mehreren Zwecken dienen. Neben der eigentlichen Zwischenspeicherung von Strom können sie die Netzstabilität erhöhen, insbesondere wenn mehr erneuerbare Energien, aber auch neue Verbraucher wie Elektrofahrzeuge ins lokale Netze zu integrieren sind. Tatsächlich könnten sie den lokalen Netzausbau teils vermeiden, der durch den Aufbau von Ladestationen für Elektrofahrzeuge erforderlich wird. Denn entsprechend ausgelegte Batterien sind in der Lage, kurzfristig eine hohe Leistung zur Verfügung zu stellen. Sie wären daher auf Quartiersebene sinnvoll einsetzbar.

Reformen erforderlich

Aber das derzeitige EnWG mache das nahezu unmöglich, so BVES-Bundesgeschäftsführer Lars Windelen: „Die derzeitige gesetzliche Regelung zum Mischbetrieb ist schon technisch nicht umzusetzen und läuft damit ins Leere. Damit können Speicher auch nicht ihre sinnvollen Systemdienstleistungen anbieten.” Der Novellenent­wurf ­schaffe hier keine Änderung.

Mit der Novelle des EEG zum Jahresende 2020 hat der Gesetzgeber für den Mieterstrom ein paar mehr Impulse gege­ben, auch wenn diese aus Sicht der Regenerativ-Verbände nicht ausrei­chen. Doch immerhin können größere Mieterstromprojekte nun auch auf Quartiersebene realisiert werden. Das ist zum Beispiel auch in Esslingen der Fall, wo sich Polarstern als Projektpartner dieses Themas annimmt. Doch auch hier lassen sich Stromspeicher dafür aus regulatorischen Gründen nicht nutzen.

21.4.2021 | Autor: Andreas Witt | Solarserver
© Solarthemen Media GmbH

Titelbild der Zeitschrift Energiekommune 4/2021

Dieser Artikel ist original in der Ausgabe 4/2021 der Zeitschrift Energiekommune erschienen. Energiekommune ist der Infodienst für die lokale Energiewende. Er erscheint monatlich. Bestellen Sie jetzt ein kostenloses Probeabonnement mit drei aktuellen Ausgaben!

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