Interview mit Klimaunion-Aktivisten Frank Anton und Felix Rodenjohann

Portraitfotos_Frank_Anton_Felix_RodenjohannFotos: privat
Felix Rodenjohann (l.) und Frank Anton wollen mit der neuen "Klimaunion" innerhalb der CDU/CSU das Klimathema voranbringen.
"Wir wollen uns überflüssig machen", sagen Frank Anton und Felix Rodenjohann sind aktive Mitglieder der kürzlich gegründeten Klimaun­i­on. Die Gruppe von CDU- und CSU-Mitgliedern hat sich zum Ziel gesetzt, in den Unionsparteien dem Klimaschutz mehr Bedeutung zu geben. Konkret verlangt die Klimaunion, sich auf eine maximale Erhöhung der Welttemperatur um 1,5 Grad festzulegen. Die Solarthemen sprachen mit ihnen, welche Konsequenzen sie daraus für erneuerbare Energien ableiten.

Solarthemen: Ist das Klimathema in den Unionsparteien schon ausreichend verankert und muss nur besser kommuniziert werden? Oder müssen Sie es als Klimaunion erst in CDU und CSU hineinbringen? 

Frank Anton: Eigentlich ist das Klimathema schon bei den meisten Menschen angekommen, so auch bei den Parteien. Der entscheidende Schritt ist nun aber, nicht nur die mögliche Katastrophe vor Augen zu haben und auf möglichst viel zu verzichten, sondern zu sehen, dass es Technologien und Möglichkeiten, diese zu fördern, gibt. Und wenn wir dies mit den richtigen Anreizen tun, dann werden im Heimmarkt Deutschland solche Technologien auch entwickelt und zum Einsatz kommen. Das haben wir schon einmal gesehen, als wir mit dem Einspeisegesetz Vorreiter waren. Und hier glauben wir, dass die Union diese Incentives besser setzen kann als alle anderen, die über das Klima reden.

Felix Rodenjohann: Es gab einen Schlüsselmoment, den ich mit der Ruhrgebiets-CDU hatte. Die erklärte in einem Workshop im Jahr 2019: Wir sind eigentlich grüner als die Grünen, aber wir können das nicht sagen, weil das grüne Themen sind. Wir haben verstanden, dass das unser Thema ist, weil es um die Zukunft der Wirtschaft geht. Und das ist eine Ironie der Geschichte, dass vermutlich die CDU und auch die SPD sich schwer getan haben, mit diesem grünen Thema auf Wählerfang zu gehen, nur weil es eine Grüne Partei gibt. Und das, obwohl diese Inhalte und die Menschen, die sie verkörpern, bei uns genauso vorhanden sind.

Unsere Leute haben Konzepte

Aber Sie würden schon sagen, dass die Union bei diesem Thema Nachhilfe braucht, denn sonst müsste es Ihre Klimaunion gar nicht geben.

Rodenjohann: Auch wir haben gedacht, dass CDU und CSU die Nachhilfe brauchen. Aber wir sehen jetzt, dass die Leute in unserer Partei schon da sind, die die Konzepte haben. Und es gibt den Willen, diese Konzepte umzusetzen. Dabei scheinen viele auf die Klimaunion gewartet zu haben. Denn wir bekommen von vielen sehr positive Reaktionen mit Aussagen wie die, dass die Klimaunion das Beste sei, was in unserer Partei seit 20 Jahren passiert sei. Und manch einer sagt auch, er wäre aus der Union ausgetreten, wenn es die Klimaunion nicht geben würde. Einige waren kurz davor auszutreten, weil sie den bisherigen Kurs der Partei nicht mehr vertreten könnten.

Berliner Bubble

Heißt das, dass das Thema in der Basis schon stärker verankert ist, aber die Führung es noch nicht ausreichend begriffen oder deutlich gemacht hat?

Rodenjohann: Ich habe dazu eine klare persönliche Meinung, die nicht unbedingt die der Klimaunion ist. Das gesamte fossile Lobbyisten-Netzwerk konzentriert sich vor allem auf die Berliner Blase. Auch ein Unternehmen wie zum Beispiel BP hat nicht die Mittel, um mit ihren Falschinformationen in jede Stadt zu gehen. Und daher ist es logisch, dass auch viele Bürgermeister Mitglied unserer Klimaunion werden, die in ihren Städten oder in den Landkreisen die Energiewende vorangetrieben haben und deren Fachwissen und deren Wille, etwas zu verändern, größer sind als die in der Berliner Bubble. Es ist eine unserer Kernaufgaben, das regionale Engagement auf die Bundesebene zu bringen.

Anton: Man darf aber auch die Augen nicht davor verschließen, dass das, was wir zu tun haben, anstrengend wird. Es wird anstrengend, weil auch die ersten Schritte in solche Technologien hinein bedeuten, dass die Energie erstmal etwas teurer wird. Und es sind neue Schritte zu gehen, die die Industrie vor allem dann gehen wird, wenn verlässliche Incentives dafür gesetzt werden, saubere, nachhaltige Energien wettbewerbsfähig zu machen.

Wir sind kein Greenwashing-Verein

Es geht Ihnen um Technologie. Reicht es Ihnen, was heute von der Union für erneuerbare Energien getan wird?

Rodenjohann: Wenn das reichen würde, gäbe es in Deutschland kein Fridays for Future. Und ganz viele Menschen könnten sich der Umsetzung der Energiewende widmen und müssten sich nicht mehr damit beschäftigen, wie sie Hürden beiseite räumen. Wir sind kein Greenwashing-Verein und wir sind vor allem kein CDU-Vergangenheits-Washing-Verein. Sondern wir haben auch in der Satzung stehen, dass wir klimarealistische Mitglieder und Unterstützer suchen. Und zu diesem Realismus gehört eine schonungslose Aufklärung zur aktuellen Lage und den Problemen sowie zu deren pragmatischer Lösung. Schön ist, dass ganz viele Lösungsansätze, die der Bund bezahlt hat, schon vorliegen und jetzt nur noch breit realisiert werden müssten. Trotzdem passiert das nicht. Ein Beispiel für die absurde Situation ist das SINTEG-Projekt, bei dem Lösungen für die Sektorenkopplung entwickelt wurden. Da werden nun aber Power-to-X-Anlagen in Hülle und Fülle nach Ende des Forschungszeitraums vom Netz genommen, weil man es innerhalb von fünf Jahren nicht geschafft hat, eine wirtschaftliche und rechtliche Regelung zu finden, damit diese Anlagen dauerhaft betrieben werden können.

Anton: Ich möchte das unterstreichen. Nein, wir tun nicht genug. Allerdings haben wir auch erst in den vergangenen Jahren durch die Ergebnisse der Wissenschaft erkannt, wie dramatisch der Handlungsbedarf ist. Wir sind in einer Situation, wo wir uns bei den Maßnahmen nicht weiter von Partikularinteressen aufhalten lassen dürfen. Wir müssen jetzt groß denken. Und hier ist die wichtige Aufgabe der Klimaunion die eines Katalysators.

Gesellschaftliche Vollkostenrechnung

Was wollen Sie anstoßen, um die Erneuerbaren voranzubringen?

Anton: Wir wollen nicht hingehen, und einzelne Technologien gegenüber anderen werten. Sondern wir müssen sie weiter durch Incentives fördern und auch durch eine gesellschaftliche Vollkostenrechnung, die die externen Kosten der anderen fossilen Technologien berücksichtigt. Wir müssen dafür sorgen, dass so die Technologien in Deutschland entwickelt werden und zum Einsatz kommen. Dabei geht es um Wasserstoff, Solarenergie, Stromvernetzung, deren Digitalisierung, Speiche­rung und so weiter.

Rodenjohann: Einerseits sind es die nicht so ganz sexy Themen, auf die wir uns konzentrieren. Das wird ein Detailkanon sein, den wir gerade erarbeiten. Ein ganz bedeutsames Thema ist etwa die Sektorenkopplung. Wir haben einen riesengroßen Rückstau bei den Rahmenbedingungen, die die gesamte Bandbreite an Speichertechniken und am netzdienlichen Produzieren und Verbrauchen von Strom fördern könnten. Die Industrie steht hier mit sehr vielen Lösungen bereit. Ein Beispiel ist etwa, wie viel Treibhausgase eingespart werden könnten, wenn Windkraft und Solarenergie weiterlaufen würden, statt sie abzuregeln, und man stattdessen Kohlekraftwerke herunterfahren würde.

Auf der Seite der Fakten

Aber sind auf der politischen Ebene nicht auch andere Wegmarken wichtig? Ich nenne als Beispiel die Ausbauziele für Erneuerbare, die auf Bundesebene sehr umstritten sind.

Rodenjohann: Die Klimaunion wird hier auf der Seite der Fakten stehen. Wir finden es völlig absurd, dass seit Jahren nahezu alle wissenschaftlichen Institutionen ermitteln, dass es künftig einen viel größeren Strombedarf geben wird, und die Regierung einfach mit Strommengen plant, als ob es keinen grünen Wasserstoff und keine Entwicklungen in der chemischen Industrie geben würde und wir weiter mit fossilen Treibstoffen fahren und heizen könnten. Die Ausbauziele müssen so angepasst werden, dass sie dies anerkennen und dem 1,5-Grad-Ziel gerecht werden.

Wo sehen Sie denn, um eine solche faktenbasierte Entwicklung zu unterstützen, gesetzliche Ansatzpunkte, zum Beispiel beim EEG?

Rodenjohann: Ganz simpel. Wir müssen von der ungeheuren Vielzahl an Bestimmungen im EEG wieder auf zehn Seiten runterkommen. Das Gesetz muss sich auf das Wesentliche konzentrieren. Außerdem brauchen wir eine gesetzliche Förderung des netzdienlichen Verbrauchs und sämtlicher Speichertechnologien, damit immer ausreichend erneuerbare Energien zur Verfügung stehen. Es würde nicht reichen, wenn wir zwar möglichst viel Kapazität erneuerbarer Energien aufbauen, aber wir doch fossile Energien zur Abdeckung von Lücken brauchen würden.

Reaktion der Basis

Was macht Sie zuversichtlich, Ihre Ideen in die CDU und CSU hineintragen zu können?

Rodenjohann: Wenn Sie mir die Frage vor zwei Wochen gestellt hätten, hätte ich gesagt: Keine Ahnung. Aber jetzt haben wir die Reaktion der Basis. Und nicht nur von dort kommen Leute auf uns zu und sagen, sie hätten auf uns gewartet. Und die fachlichen Gespräche lassen mich zuversichtlich sein. Wir haben in der Klimaunion die Fähigkeit, Brücken zu schlagen von der Ebene der wissenschaftlich und technisch belegten Fakten hin zur Politik.

Wie viel Zeit geben Sie sich, dass Sie Ihre Zielsetzungen tatsächlich in der Union verankern, bevor Sie vielleicht doch in eine andere Partei wechseln?

Rodenjohann: Das große Thema ist das Programm der Union für die Bundestagswahl. Uns wurde schon die Frage gestellt, was die Klimaunion machen würde, wenn dies dem 1,5-Grad-Ziel nicht gerecht wird. Unsere Antwort: Das ist keine Option. Denn wir werden die Wahl ohne ein klimagerechtes Programm nicht gewinnen. Also ist dies für uns eine wichtige Zielmarke und im nächsten Schritt dann die Koalitionsverhandlungen. Wir hoffen, dass wir uns danach auflösen können, weil unsere Zielsetzungen in der Partei zum Standard werden.

22.4.2021 | Interview: Andreas Witt | Solarserver
© Solarthemen Media GmbH

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