Bioraffinerien: eine Zukunft für den Bauernhof

Strohballen auf einem Stoppelfeld.Foto: KIT
Stroh ist ein Rohstoff für verschiedene Produkte wie Kraftstoffe und Chemikalien.
Biomasse ist künftig auch als Rohstoff für eine grüne Chemie gefragt. Für den Bauernhof der Zukunft ist das eine Chance. Forschende testen das mit einer Bioraffinerie-Versuchsanlage in Hohenheim.

Bioraffinerien können zur Zukunft für den Bauernhof werden. Darüber berichtet das Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Denn auf dem Bauernhof der Zukunft können neben herkömmlichen landwirtschaftlichen Produkten auch Basischemikalien aus pflanzlicher Biomasse entstehen. Die Basischemikalien dienen dabei als Ausgangsstoffe für Kunststoffe und Kraftstoffe. Reststoffe aus diesen Prozessen verwertet wiederum eine Biogasanlage. Anschließend landen sie als Dünger wieder auf dem Feld. Interessanter Rohstoff ist zum Beispiel Stroh.

Diese Idee verfolgen Forschende um Professorin Andrea Kruse vom Fachgebiet Konversionstechnologien nachwachsender Rohstoffe der Universität Hohenheim und Professor Nicolaus Dahmen vom Institut für Katalyseforschung und -technologie des KIT. Gemeinsam wollen sie deshalb eine Bioraffinerie-Farm errichten, die pflanzliche Reststoffe und Nebenprodukte der Landwirtschaft nutzt. Damit sollen Landwirte in die Lage kommen, ohne Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion eine breite Palette von Materialien und Energieträgern herzustellen.

Biomasse lasse sich entlang der ganzen Wertschöpfungskette zu Lebensmitteln, Futtermitteln, Werkstoffen, Materialien, Chemikalien und Energie veredeln, so Dahmen. Bioraffinerien tragen so auch zum Schutz von Natur und Klima bei. Kunststoffe, neue Materialien oder Kraftstoffe aus Biomasse binden Kohlenstoff, so Kruse. Denn bei der Verbrennung am Ende ihrer Nutzungsdauer zur Energieerzeugung setzen diese biogenen Produkte nur dieselbe Menge an Kohlendioxid frei, die auch beim Verrotten des pflanzlichen Ausgangsmaterials entstehen würde. So lassen sich nicht nur fossile Brennstoffe, sondern auch CO2-Emissionen eingesparen.

Spannendes Lignin

Ein wesentliches Ziel dieses Projekts im laufenden Wissenschaftsjahr 2020/21 – Bioökonomie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ist, Energie- und Stoffkreisläufe vor Ort zu schließen. „Im Wesentlichen geht es um eine vielseitige Kombination von chemisch-physikalischen Verfahrenstechniken mit biologischen und biotechnologischen Prozessen“, sagt Dahmen. Dazu bauen die Karlsruher und die Hohenheimer eine bestehende Bioraffinerie-Anlage an der Versuchsstation „Unterer Lindenhof“ der Universität Hohenheim aus. Der Betrieb des Technikums wird die möglichst vollständige stoffliche Verarbeitung von Biomasse zu Plattformchemikalien demonstrieren.

Holz, Stroh und Gräser enthalten Lignocellulose als Stützsubstanz. Die Bioraffinerie spalte diese in die einzelnen Komponenten Cellulose, Hemicellulose und Lignin auf. Ein Karlsruher Verfahren zur Ligninspaltung wird dabei mit einem Hohenheimer Verfahren zur Verwertung von Lignocellulose gekoppelt. Hier entstehen unter anderem Furfural und Phenole, die beispielsweise zur Herstellung biogener und damit formaldehydfreier Spanplatten und Sperrholz dienen können.

Kohlenstoff für Kraftstoffe und Verpackungen

Ein weiteres Beispiel für den Ansatz, Biomasse dezentral in Zwischenprodukte umzusetzen und diese zentral weiterzuverarbeiten, ist das bioliq®-Verfahren des KIT: Aus trockener Biomasse werden synthetische Kraftstoffe und chemische Grundprodukte. Als Nebenprodukte entstehen Wärme und Strom, die den Energiebedarf des Prozesses decken. Um energie- und kostenaufwendige Transportwege einzusparen, kombiniert das Konzept die dezentrale Erzeugung eines energiereichen Zwischenprodukts, genannt Biosyncrude, mit dessen zentraler Umwandlung zu Synthesegas. Dieses wird anschließend zum gewünschten Endprodukt veredelt.

Mit der Koppelung von Lebensmittelproduktion und Kunststoffherstellung für Verpackungen beschäftigen sich die On-farm-Bioraffinerie-Konzepte von Professorin Andrea Kruse in Hohenheim. Aus Biomasse entsteht beispielsweise Hydroxymethylfurfural (HMF). Daraus lassen unter anderem Lebensmittelverpackungen, Getränkeflaschen, Fasern für Autositze, Sportbekleidung oder Autoteile herstellen. 

Die Bioraffinerie auf einem Bauernhof soll allerdings nicht alle Verfahrensschritte in einer Anlage vereinen. Ziel sind möglichst kleine Anlagen, aus denen Nährstoffe direkt vom jeweiligen Hof wieder auf die Felder gelangen können. Größere Fabriken verarbeiten dann die Zwischenprodukte weiter.

28.4.2021 | Quelle: KIT | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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