© Jeyaratnam Caniceus auf Pixabay  / Wirksame Klimapolitik braucht eine Verkehrswende
© Jeyaratnam Caniceus auf Pixabay / Wirksame Klimapolitik braucht eine Verkehrswende

Die "Lobauer Erklärung": "Time over" für fossile Großprojekte

Wirksame Klimapolitik muss alle Lebensbereiche umfassen. Ohne eine Verkehrswende werden alle Klimaziele verfehlt: Die Zeit für fossile Großprojekte ist vorbei

© System Change, not Climate Change/ Pressekonferenz zur "Lobauer Erklärung"
© System Change, not Climate Change/ Pressekonferenz zur "Lobauer Erklärung"

Was braucht eine kluge Klima- und Umweltpolitik? Genau das wurde heute im Rahmen einer Pressekonferenz, die von den Umwelt- und Klimaorganisationen VIRUS, System Change not Climate Change und Fridays For Future gemeinsam veranstalteten Pressekonferenz vorgestellt. Ein generationenübergreifenden Podium aus umweltbezogenen Wissenschaftler*innen und Vertreter*innen der Klima- und Umweltbewegung präsentierte die "Lobauer Erklärung" als Manifest für Verantwortungsvolle Klima- und Umweltpolitik und gegen die Lobau-Autobahn, stellvertretend für ein System "fossiler Großprojekte".

Klimawissenschaftlerin Helga Kromp-Kolb (BOKU-Wien), die wohl bekannteste Forscherin zum Thema Klimawandel, wies auf die immer dringender werdende Notwendigkeit einer wirksamen Klimapolitik hin: "Die vergangenen Jahre haben vielen gezeigt, dass die Dynamik des menschengemachten Klimawandels unterschätzt wurde und dass diese Entwicklung lebensbedrohlich ist. Gleichzeitig war es, vor allem auch in Österreich, nicht möglich, Treibhausgasreduktionen zu bewirken. Eine wirksame Klimapolitik muss dabei alle Lebensbereiche umfassen und darf auch den Straßenverkehr und seine Infrastruktur als Haupttreiber der bisherigen negativen Entwicklung nicht ausnehmen", ist sich Kromp-Kolb sicher.

Verkehrswissenschafter Hermann Knoflacher (TU-Wien) zeigte auf, dass für mit dem Szenario der Errichtung des Systems Lobau-Autobahn und seinen Satellitenprojekten ein vehementer Anstieg der Verkehrsbelastung auf der Straße insgesamt zu erwarten ist und damit die Grundlage für weitere Emissionssteigerungen gelegt wird. " Dies haben auch unsere Untersuchungen im Auftrag der Stadt Wien 2017 gezeigt. Aufgrund des induzierten Verkehrs kommt es nicht zur heftig beworbenen Verkehrsentlastung und wird eine ungünstige räumliche Entwicklung befördert, die nicht zum Vorteil von Wien und insbesondere des Projekt Seestadt ist".

Ähnlich argumentierte seine TU-Kollegin, Barbara Laa: "Auch die Verkehrsuntersuchung der Asfinag zur S1 zeigt, dass es insbesondere auf der Südost-Tangente zu keiner Verkehrsentlastung kommt. Die Donaustadt hinkt hinsichtlich der Angebotsqualität im Öffentlichen Verkehr dem Rest Wiens weit hinterher und auch bei den Stadt-Umland-Verbindungen ist viel Luft nach oben. Um Alternativen zu schaffen und die Klimaziele im Verkehrsbereich zu erreichen, braucht es hier weitaus größere Anstrengungen, wie auch bei der Förderung von Rad- und Fußverkehr."

Lucia Steinwender von System Change not Climate Change brachte die soziale Ungerechtigkeit des des Verkehrssystems ins Gespräch: "Statt günstige öffentliche Mobilität für alle bereitzustellen, wird schädlicher Autoverkehr für wenige gefördert. An den Folgen von Lärm und Verschmutzung leiden vor allem finanziell Benachteiligte, während Auto- und Baukonzerne Profite einstreifen."

Auf die heikle Situation in der Lobau machte Umweltwissenschaftler und Hainburg-Aktivist Bernd Lötsch aufmerksam: "Wir konnten in den Donauauen einem einzigartigen Naturraum mit höchster Artenvielfalt einen Nationalpark schaffen. Da ein Auen- also Feuchtgebietsnationalpark sich wesentlich durch intakte Grundwasserverhältnisse definiert, droht die Aberkennung des Nationalparkstatus für die Lobau durch die IUCN im Falle eines Groß-Tiefbauprojekts im heiklen und geschützten Aquifer. Negative Eingriffe in den Wasserhaushalt der Lobau und des Umlandes sind ebenso abzulehnen, wie der weitere Verlust wertvollen Ackerbodens."

Umweltwissenschaftler Peter Weish, der durch Hainburg 1984 und bereits davor im Kampf gegen Atomkraft und das Kraftwerk Zwentendorf hohen Bekanntheitsgrad erlangt hat, führt den Fokus zur übergeordneten Betrachtungsebene zurück: "Das entscheidende Kriterium der Technikbewertung ist die Frage, ob ein Vorhaben die notwendige zukunftsfähige Entwicklung unterstützt oder behindert. Aus der Perspektive unserer Verantwortung für die Zukunft wäre das Lobau-Autobahnprojekt auch dann abzulehnen, wenn es nicht durch den Nationalpark sondern durch eine Wüste führen würde."

Schülerin Clara Pories von Fridays for Future brachte die immer größere werdende Ungeduld ihrer Generation durch das Nichthandeln auf den Punkt: "Wir können es uns nicht mehr leisten die Klimakrise zu ignorieren oder gar klimaschädliche Großprojekte umzusetzen. Die Zeit rennt uns davon und wir müssen jetzt handeln um uns noch vor den schlimmsten Folgen der Klimakrise zu bewahren. Wir brauchen eine Zukunft und deshalb werden wir nicht aufhören, dafür auf die Straße zu gehen".

Wolfgang Rehm von der Umweltorganisation VIRUS, der seit Hainburg 1984 im Umweltschutz tätig ist, fasste zusammen: "Auch nach 10 Jahren Verfahren, aktuell im Wasserrecht, ist die Unbedenklichkeit des Tunnels nicht nachgewiesen, die Verkehrsentlastung gibt es nicht, Klimaschutz und Bodenverbrauch spielen in der Umweltverträglichkeitsprüfung keine Rolle und bisherigen Ansätze haben nicht einmal zur Erreichung sehr bescheidener Reduktionsziele wie jenem von Kyoto geführt. Sogar auf Kyoto bezogen wurden kumuliert mehr als 280 Millionen Tonnen CO2 Äquivalente zu viel ausgestoßen. Zwischen den historischen "Parade-Umweltkonflikten" von Zwentendorf und Hainburg bestünden ebenso Unterschiede wie zum aktuellen Lobau-Konflikt. "Man soll sich nicht dieselbe Dramaturgie erwarten aber wir sind hinsichtlich der Bedeutungsschwere, in derselben Größenordnung", so Rehm.


Endlich eine "ECHTE" ENERGIE-, VERKEHRS- und KLIMAWENDE

Das Podium war sich, quer über alle Generationen, einig: Viel mehr noch als 1978 und 1984 müsse es neben der wichtigen Einzelprojektebene gelingen, endlich eine echte Energie- Verkehrs- und Klimawende umzusetzen. Die zu erwartende Streichung der S8-Marchfeldschnellstraße, deren UVP-Bescheid soeben gerichtlich aufgehoben wurde, könne erst der Anfang einer umfassenden Neuausrichtung sein. Es gelte, die Emissionen drastisch zu reduzieren, um die in Paris politisch vereinbarte und wissenschaftlich notwendige 1,5-Grad-Grenze bei der Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur nicht zu überschreiten. Deshalb sei die Schaffung jedweder dazu im Widerspruch stehender "klimapolitischer Kipppunkte", wie das System der geplanten Lobau-Autobahn und ihrer Satelliten, das für weitere Jahrzehnte großmaßstäblich zusätzlichen Verkehr erzeugen würden, nicht vertretbar. 41 Organisationen hätten ihre Unterstützung für die "Lobauer Erklärung" bereits bekundet.

"Österreich und der Großraum Wien stehen vor einer entscheidenden Weichenstellung. Ohne eine Verkehrswende werden sämtliche Klimaziele verfehlt und die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen angeheizt. Die Zeit für fossile Megaprojekte wie Lobau-Autobahn & Co ist abgelaufen", waren sich die Vertreter*innen aus Umweltbewegung und Wissenschaft vollends einig .

LOBAUER ERKLÄRUNG
LISTE bisheriger UNTERSTÜTTZERORGANISATIONEN


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /